Wenn Freundschaft zur Herausforderung wird
Warum persönliche Nähe in der Führung schnell zum Problem werden kann
Bei einem individuellen Coaching mit einer Führungskraft stellte sich ein brisantes Thema heraus: Der Chef war mit einem Teil seiner Führungsmannschaft eng befreundet – alte Studienfreunde, ehemalige Kollegen. Was einst gewachsen war, entwickelt sich nun zur Belastung: Das Team zerfällt in Menschen mit und ohne Freundschaftsbonus.
Was tun, wenn Nähe zur Spaltung führt?
Wo liegen die Gefahren?
Und wie lässt sich Führung auf Augenhöhe trotz persönlicher Bindung gestalten?
Die Dynamik im Team verändert sich
Mich erinnerte diese Situation sofort an meinen Vater: Eine Zeit lang war er mein Trainer in einer Mannschaftssportart – kein Zuckerschlecken. Kein Bonus, keine Bevorzugung. Im Gegenteil: Ich musste mehr leisten als alle anderen.
Doch seien wir ehrlich: Unsere erste Assoziation war wahrscheinlich, dass alte Seilschaften es besser haben. Die Realität ist jedoch komplexer.
Die zentrale Frage: Wie trete ich als Führungskraft meinen Freunden gegenüber?
Wenn du als Führungskraft mit Teammitgliedern befreundet bist, stellt sich zwangsläufig die Frage: Wie trenne ich Freundschaft und Führungsverantwortung?
Hier kommen drei zentrale Herausforderungen ins Spiel:
- Balance zwischen Gleichbehandlung und individueller Führung
- Vermeidung einer „Hackordnung“ im Team
- Vertrauen und Transparenz – ohne Bevorzugung
Die Antwort: Transparenz statt Tabu
Die universelle Lösung lautet für mich: Transparenz.
Sprich den sprichwörtlichen rosa Elefanten im Raum offen an – zuerst im kleinen Kreis.
Schritt 1: Einzelgespräche mit den Freunden im Team
Stelle Fragen, die überraschen und Klarheit schaffen:
- Was erwartest du von mir als Führungskraft?
- Wie wollen wir unsere Freundschaft in Zukunft gestalten?
- Wobei hast du die größten Sorgen?
Diese Gespräche legen das Fundament für Verständnis, Gleichbehandlung und einen offenen Umgang miteinander.
Schritt 2: Der Elefant kommt in den Raum – Workshop im Führungsteam
Jetzt ist das gesamte Team gefragt. In einem Workshop gilt es, gemeinsam auf die aktuelle Situation zu blicken. Ziel ist es, dass alle denselben Elefanten sehen – nicht nur ihre eigene Perspektive.
Themen im Workshop:
Wo erleben wir Unterschiede in der Behandlung?
Was wünschen wir uns für eine gemeinsame Führungskultur?
Welche konkreten Erfahrungen, Sorgen oder Ängste gibt es?
Schritt 3: Führungskultur gemeinsam entwickeln
Was soll dieses Team zukünftig auszeichnen? Welche Haltung wollen wir sichtbar leben – auch für andere?
- Welche Kompetenzen stärken wir bewusst?
- Wie treten wir als Führungsteam auf?
- Woran erkennt man Zusammenarbeit mit uns?
Die Auflösung möglicher Lager gelingt nur, wenn alle gleichberechtigt an der Gestaltung beteiligt sind.
Schritt 4: Verstetigung – das Risiko „alte Muster“
Jetzt kommt die eigentliche Herausforderung: Dranbleiben.
Wenn die Umsetzung dieser neuen Haltung nicht konsequent, gleichmäßig und verantwortungsvoll begleitet wird, war alles umsonst.
Achtung, Falle:
„Ich gebe die Aufgabe meinem Buddy, ich vertraue ihm zu 100 %.“
→ FALSCH!
Besser:
„Wer im Team kann diese Aufgabe so übernehmen, dass sie den größten Mehrwert für alle bringt?“
→ RICHTIG!
Noch besser:
„Wer hat aktuell Kapazitäten und die notwendige Unabhängigkeit, um das umzusetzen?“
→ RICHTIG!
Fazit: Klarheit schafft Freundschaft – und starke Teams
Führung in Freundschaft ist kein Tabu – solange sie transparent, reflektiert und gerecht gestaltet wird. Die Herausforderung liegt nicht im Dasein der Beziehung, sondern im offenen Umgang damit.
Klarheit und gemeinsame Entwicklung sorgen für Vertrauen – nicht Seilschaften.
Denn: Nur Teams mit fairer Führungskraft können wirklich stark zusammenarbeiten.